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Weltanschauliche Neutralität des Staates

Wir fordern die konsequente Trennung von Staat und Religion sowie die strikte Beachtung des Verfassungsgebotes der weltanschaulichen Neutralität des Staates!

Die Giordano-Bruno-Stiftung setzt sich für einen säkularen Staat ein, für die Trennung von Staat und Religion. Denn anders, als viele vermuten, sind vor allem die Kirchen nach wie vor noch stark mit dem Staat verflochten. Dies zeigt sich u.a. an den folgenden Privilegien:

  • Befreiung von der Körperschafts-, der Erbschafts- und Grundsteuer
  • Gebührenbefreiung in einigen Bundesländern (Gerichts-, Notar-, und Verwaltungskosten)
  • Staatliche Finanzierung von Kirchentagen durch Bund, Länder und Städte
  • "Kirchliches" Arbeitsrecht (das u.a. Homosexuelle, Wiederverheiratete und Anders-/ Nichtgläubige diskriminiert)
  • Eigene kircheninterne Ermittlungen statt Übergabe an die Staatsanwaltschaft (bspw. im Missbrauchsskandal) - eine kirchliche Paralleljustiz, die Täter schützt
  • Finanzierung u. a. von Bischofsgehältern und Theologenausbildung (>1 Mrd.€/Jahr)
  • Einzug von Kirchensteuern durch den Staat (erspart den Kirchen jährlich ca. 2 Mrd.€)
  • Überwiegend staatliche Finanzierung von "kirchlichen" Einrichtungen wie Caritas, Diakonie und Co. (über 98% werden von den Sozialkassen, vom Staat und den Nutzern bezahlt - nicht von der Kirche)
  • Einfluss auf die Politik (bei vielen Entscheidungen werden Kirchenvertreter vorab informiert- "kirchliche Büros" an jedem Parlamentssitz, etc.)
  • Einfluss an staatlichen Schulen (u.a. in Form von Religionsunterricht, Kosten 1,4 Mrd. €/Jahr)
  • u.v.a.m.

Politischer Wagen von Jacque Tilly, © JT

Da die Kirchen von diesen staatlichen Privilegien profitieren, möchten natürlich auch andere Religionsgemeinschaften diese Vorteile nutzen und fordern Gleichbehandlung – verständlich, da die Gleichbehandlung von Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften im Grundgesetz verankert ist. Das Ziel eines weltanschaulich neutralen Staates, angesichts einer Vielfalt von Religionen und Weltanschauungen, kann nicht die Angleichung aller Religionsgemeinschaften an das kirchliche Niveau sein. Prof. Dr. Thomas Großbölting, Historiker und Forscher des Exzellenzclusters "Religion und Politik" der Uni Münster, der 2013 das Buch "Der verlorene Himmel: Glaube in Deutschland seit 1945" veröffentlich hat, formulierte bereits 2013: "Ein christliches Deutschland gibt es nicht mehr". Die staatliche Privilegierung der Kirchen diskriminiert die nicht-christlichen Bürger Deutschland, die die größte Bevölkerungsgruppe und in absehbarer Zeit die Mehrheit ausmachen.

Der unverändert starke Einfluss der Kirchen auf die Politik ist unangemessen und diskriminierend. Gefordert ist mehr Säkularität, mehr Laizität des Staates anstelle der gegenwärtig immer noch "hinkenden" Trennung von Staat und Kirche. Die diskriminierungsfreie staatliche Neutralität, die in einigen Bereichen bereits erkämpft wurde (Bsp. Aufhebung von Kündigungen nach kirchlichem Arbeitsrecht, Kruzifixurteil) droht momentan wieder zurückgedrängt zu werden. Religionsgemeinschaften wird wieder mehr Handlungsspielraum überlassen, auch auf juristischer Ebene. Die Resultate sehen u.a. wie folgt aus:

  • Schleppende bzw. kaum vorhandene Aufklärungsarbeit des systematischen Missbrauchs in Kirchen und kirchlichen Einrichtungen
  • Bildung von Parallelgesellschaften (vor allem im Bereich muslimischer Einwanderer)
  • Bestrebungen, den Zugang zur Abtreibung einzuschränken durch Einschränkung der Informationsmöglichkeiten, durch Einschüchterungen der Betroffenen, der Ärzte und der Einrichtungen
  • Untergrabung der weltanschaulichen Neutralität (Kreuzerlass in Bayern, islamisches Kopftuch bei Staatsbediensteten in Schule und Gericht in Berlin).

Das Gebot der weltanschaulich-religiösen Neutralität ist seit BVerfGE 19, 206 (216) ein anerkanntes staatstragendes Verfassungsgebot. In einem säkularen Verfassungsstaat dürfen alle Bürger ihren Gott, auch ihre Götter haben. Religion ist Privatsache – der Staat aber ist in einer modernen Grundrechtsdemokratie gottlos. Die oben dargestellte Situation zeigt auf, dass die Regierung offensichtlich nicht gewillt ist, den zentralen Wert eines säkularen Staatswesens zu erkennen, zu vermitteln, ihn auszubauen bzw. überhaupt erhalten zu wollen. Wir leben in einem demokratischen Rechtsstaat, in dem die Errungenschaften der Aufklärung: Gewaltenteilung, Gleichberechtigung, Menschenrechte, Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Religionsfreiheit, Säkularisierung u.v.a.m. in der Verfassung verankert sind. Diese Rechte wurden gegen den erbitterten Widerstand religiöser Institutionen erkämpft. Diese Rechte sind nicht selbstverständlich und es gibt konservative und fundamentalistische Kräfte und Organisationen, die das Rad der Geschichte zurückdrehen wollen. Die Mehrheit der Bevölkerung will in einem säkularen Staat leben, bei dem Staat und Kirche getrennt sind. Die gemeinsame Herrschaft von Kirche und Monarchie, wie im Mittelalter, ist Geschichte und ist für eine offene aufgeklärte Gesellschaft ein Schreckensszenario. Es ist Aufgabe der Bürger und des Staates, die Errungenschaften der Aufklärung, die Säkularität und staatliche Neutralität zu erhalten. Die pluralistische Gesellschaft braucht einen neutralen Staat, um Raum für Vielfalt zu geben. Die staatliche Neutralität schafft erst die Grundlage für eine diskriminierungsfreie Gesellschaft ohne religiöse Beeinflussung.

© Institut für Weltanschauungsrecht (ifw)

In der Stadt Berlin ist das vorhandene Neutralitätsgesetz unter Beschuss. Justiz-Senator Dirk Behrendt (Grüne) will das Tragen religiöser Kleidung und Symbolen an Schulen erlauben. Jacqueline Neumann vom Institut für Weltanschauungsrecht (ifw) meint dazu: Kurs halten beim Berliner Neutralitätsgesetz! Die übrigen Bundesländer sollten sich ein Beispiel an dem Gesetz nehmen und ebenfalls entsprechende Regelungen erlassen. Das Neutralitätsgesetz ist eine vorbildliche Rechtsnorm in einem Staat, in dem Menschen unterschiedlicher weltanschaulicher Überzeugungen zusammenleben. Gegen die Beibehaltung des Berliner Neutralitätsgesetzes gibt es auch nach der jüngsten Gerichtsentscheidung keine ernsthaften juristischen Bedenken, im Gegenteil.

Foto: Tim Reckmann, flckr, (CC-BY-2.0), verändert

Die Giordano-Bruno-Stiftung fordert, Artikel 20 Absatz 1 des Grundgesetzes zu ergänzen. Statt: "Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat" soll es nach dem Vorschlag der Stiftung heißen: "Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer, sozialer und weltanschaulich neutraler Bundesstaat". "Nur ein Staat, der niemanden aufgrund seiner religiösen oder nichtreligiösen Weltanschauung privilegiert oder diskriminiert, kann die Freiheit und Gleichheit aller Bürgerinnen und Bürger und somit die Einhaltung der Menschenrechte garantieren", erläutert Michael Schmidt-Salomon, Philosoph und Vorstandssprecher der Giordano-Bruno-Stiftung.

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